01.05.01: Busunglück auf der Autobahn

6 Tote, 15 Schwerverletzte sowie 37 Personen mit Verletzungen unbestimmten Grades...

Das ist die traurige Bilanz eines schweren Busunglückes am 1. Mai auf der Inntalautobahn bei Vomp. Mehr als 300 Helfer von Rettung, Feuerwehr und Gendarmerie standen im Großeinsatz.

Weitere Berichte:

Einsatzbericht des Leitenden Notarztes, Dr. Adolf Schinnerl

Einsatzablauf Rettungsleitstelle Schwaz

Großunfall – die notfallmedizinische Versorgung von Dr. Adolf Schinnerl, LNA

Die psychische Belastung des Helfers beim Großunfall von Dr. Adolf Schinnerl

Der Seidene Faden des Lebens von Ernst Spreng

Der Gelenkbus der Zillertaler Verkehrsbetriebe war auf dem Heimweg von einem Ausflug des Wanderclub Strass im Zillertal. Laut bisherigen Ermittlungen der Gendarmerie geriet der Bus wegen der Spurrillen auf  Höhe der Autobahnausfahrt Vomperbach ins Schleudern, trotz der Versuche des Fahrers, den Bus mit der Telma - Wirbelstrombremse zu strecken, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug, der Bus scherte nach links aus, begann zu kippen wälzte die Leitplanken nieder und blieb quer zur Fahrbahn liegen. Die Folgen des Unfalles waren verheerend: 2 Personen wurden aus dem Bus geschleudert und getötet, 4 Insassen kamen unter dem Bus zu liegen und waren ebenfalls tot, 4 weitere Personen wurden schwer eingeklemmt.

Ungenaue Lagemeldung

Die ersten Unfallmeldungen die beim Roten Kreuz in Schwaz eintrafen waren sehr ungenau: " Da muss was passiert sein, es staut sich", oder die Meldung eines Anrainers " Es hat auf der Autobahn was gegeben" machten eine genaue Lagebeurteilung nahezu unmöglich. Mit  dem Eintreffen der ersten Fahrzeuge wurde das ganze Ausmaß erkannt: Dutzende Menschen lagen mit teils schwersten Verletzungen auf der Autobahn, von Ersthelfern teilweise geborgen lehnten sie an den Leitplanken, einige waren im Bus und konnten diesen nicht verlassen.

Parallel zur Rettung wurde auch die Feuerwehr Schwaz alarmiert. Die erste Meldung lautete wie schon so oft " Schwerer Verkehrsunfall auf der A 12 in Richtung Kufstein, Bergeschere wird benötigt".Der Kommandant der Feuerwehr Schwaz, ABI Karl Rinnergschwentner traf fast zeitgleich mit dem Bezirksfeuerwehrkommandanten LBD - Stv. Klaus Erler an der Unfallstelle ein.
" In meiner mehr als 35 Jährigen Feuerwehrkarriere war dies mit Abstand der schlimmste Einsatz", so der sichtlich betroffene Schwazer Feuerwehrkommandant.
Als erstes wurden die Bergescheren von Jenbach und Wattens nachalarmiert, in Schwaz wurde Sirenenalarm ausgelöst , im weiteren Verlauf des Einsatzes kamen noch die Feuerwehren Vomp, Betriebsfeuerwehr Tyrolit, Hall sowie die Berufsfeuerwehr Innsbruck dazu. Insgesamt  wurden dadurch 135 Mann mit 27 Fahrzeugen in den Einsatz gerufen.

 

Bergungsarbeiten

Da die Rettung bereits mit der Patientenversorgung begonnen hatte, konzentrierte sich die Feuerwehr Schwaz am Anfang auf jene Personen, die noch im Bus eingeschlossen waren. Dazu wurde die Unfallstelle in 2 Abschnitte eingeteilt: Während die Mannschaften von SRF und KDO am hinteren Teil des Busses die Arbeit aufnahm, begann die TLF Mannschaft mit der Personenbergung im vorderen Teil mit den Rettungsarbeiten. Der Bus lag um 90 Grad abgewinkelt mit aufgerissenem Balg quer zur Fahrbahn, dadurch brauchten die Einsatzkräfte keinerlei Zutrittsöffnungen zum Fahrzeug schaffen.

Im hinteren Bereich waren insgesamt 4 Personen eingeklemmt. 2 waren offensichtlich tot, 2 weitere teilweise schwerst unter der Karosserie des Busses eingeklemmt. Hier konnten mit den Hebekissen des SRF Schwaz und SRF Wattens große Erfolge erzielt werden. Im vorderen Teil sah es ähnlich aus. 2 Menschen waren tot eingeklemmt, 2 Personen waren erst mit Hilfe der Bergescheren zu befreien. 30 Minuten nach Eintreffen der ersten Feuerwehren waren alle lebenden Personen befreit. Die Befreiung der Toten im vorderen Bereich wurde mit den Hebekissen der Feuerwehr Jenbach bewerkstelligt.

 

Großeinsatz aller Rettungsorganisationen

Zu diesem Zeitpunkt war der Großeinsatz des Roten Kreuzes bereits voll angelaufen: Aus den Bezirken Schwaz, Kufstein, Innsbruck und Innsbruckland rückten 142 Rettungssanitäter, 19 Notärzte und 5 Hubschrauber mit  unzähligen Großrettungssets an, um eine bestmögliche Erstversorgung sicherzustellen.

Als großer Vorteil erwies sich für das Rote Kreuz Schwaz die Tatsache, in den letzten Jahren mehrere Busunglücke mit zahlreichen Verletzten und Toten abgewickelt zu haben. Bei den Unglücken in Gerlos, Finkenberg, Terfens und Zell am Ziller konnten die Einsatzleiter und Disponenten sehr wertvolle Erkenntnisse über die Abwicklung vor Ort, sowie der Triage, also das Beurteilen der Art der Verletzung und Einstufung in die Dringlichkeit des Transportes gewonnen werden.

"Was alle Einsatzkräfte sehr zu schaffen machte, war die große Anzahl von schwersten Verletzungsmustern, es gab relativ viele Thoraxtraumen, viele Patienten mussten intubiert und künstlich beatmet werden", so der Leitende Notarzt vor Ort, Dr. Schinnerl.
Dadurch wurde in der Anfangsphase sehr viel Personal und Material zur Versorgung der Verletzten beansprucht. Hier haben sich die medizinischen Großunfallsets bestens bewährt - vor allem Infusionen und Verbandsmaterial wurden bei diesem Einsatz in großen Maße benötigt.

Die Patienten wurden je nach Transportpriorität in die Schnellrettungszelte von  Feuerwehr und Rettung gebracht und dort bis zum Abtransport versorgt. Für den Abtransport stand ein eigenes Schnellrettungszelt zur Verfügung, in dem die jeweiligen Rettungsmannschaften ihren Patienten übernommen haben und die Zuweisung zum Krankenhaus erfolgte. Die Patienten wurden in die Krankenhäuser Schwaz, Innsbruck, Zams, Kufstein und St. Johann gebracht bzw. geflogen. Reibungslos funktionierte dabei die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bezirksstellen des Roten Kreuzes.

Besonders erfolgreich war bei dem Busunglück in Vomp die Arbeit des Roten Kreuzes Schwaz abseits der Unfallstelle. Innerhalb kürzester Zeit wurde organisiert, dass Angehörige in der Rot-Kreuz-Dienststelle Schwaz  von Psychologen Dr. Rudolf Morawetz und seinem Team sowie von einem Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes betreut wurden. Noch während der Patientenversorgung vor Ort wurde vom Roten Kreuz Schwaz eine Hotline eingerichtet und von drei MitarbeiterInnen betreut. Bis weit nach Mitternacht waren hier alle Amtsleitungen dringend notwendig, mehr als 50 besorgte Angehörige wurde so informiert, Presse und Behörden betreut.

 

Während mit dem Abtransport der letzten Unfallopfer der Einsatz für das Rote Kreuz beendet war, verblieben die Mannschaften der Feuerwehr Schwaz noch vor Ort, um die Berge, - und Aufräumarbeiten zu unterstützen. Hier leistete auch der Kran der Berufsfeuerwehr Innsbruck wertvolle Dienste. Unterstützt wurden die Bergungsarbeiten noch von einem 2. Kran eines Privatunternehmens.

Gegen 22.00 Uhr konnten die letzten Einsatzkräfte abrücken, die Autobahn, die während der Rettungsarbeiten für den Verkehr in beide Richtungen gesperrt war, konnte wieder freigegeben werden.

Erkenntnisse aus Sicht der Feuerwehr Schwaz 

  1. Dieses Unglück hat wieder einmal gezeigt, dass die technische Ausrüstung der Feuerwehren in diesem Maße unbedingt erforderlich ist, ja sogar ausgebaut werden muss. Auch wenn viele Kritiker meinen, die Feuerwehr hätte zuviel oder dieses und jenes braucht es nicht, spätestens bei derartigen Katastrophen zeigt sich, wie wichtig richtig dimensioniertes Gerät und vor allem zeitgemäßes Gerät für einen Großeinsatz ist.
  1. Das Land Tirol hat sehr viel Verständnis für die Anliegen der Feuerwehren in diese Richtung, nebenbei sei hier erwähnt, dass an fünf SRF Stützpunkte Tirols im Dezember neue Schwere Rüstfahrzeuge übergeben werden. Weitere Fahrzeuge dieser Gattung werden in den nächsten Jahren an die restlichen SRF Stützpunkte übergeben.
  1. Ihre Feuerprobe bestanden haben die mobilen Bergescheren der Feuerwehr Schwaz. Neben dem großen Rettungssatz im SRF verfügt die Feuerwehr Schwaz auch noch über eine mit Benzinaggregat betriebene Kombischere sowie über eine Akkuschere, ebenfalls ein Kombigerät. Mit diesen Geräten kann entweder geschnitten oder gespreizt werden. Vor allem im Inneren des Busses, wo es räumlich sehr beengt war, konnte man mit einem Gerät sowohl die Streben der Sitze durchschneiden als auch wenig später den Sitz aus der Halterung herausdrücken. Nicht nur, dass man sich den Kabelsalat im Inneren ersparte, man brauchte nicht ständig zwischen den einzelnen Geräten Schere und Spreizer wechseln. Dadurch wurde Zeit und Kraft gespart, die kleinen Geräte sind auch gewichtsmäßig sehr im Vorteil.

            

  1. Sehr positiv hat sich bei diesem Einsatz die Ausbildung in der Feuerwehr Schwaz ausgewirkt. Hier wird besonders viel Wert auf die Automatisation der Handgriffe wert gelegt. Denn gerade im Detail liegt oftmals der Hund begraben: Das richtige Halten von Hydraulikkupplungen beim Anschließen der Aggregate, die Handhabung der verschiedensten Ventile und Hebewerkzeuge, jene Fingerfertigkeiten also, die viele als selbstverständlich hinstellen, führen im Einsatz unter Stress oftmals zu großen Zeitverzögerungen, weil man sich offensichtlich doch zu wenig damit beschäftigt hat. Allen Kritikern zum Trotz wird diese Art der Ausbildung nicht zuletzt wegen derartiger Ereignisse noch mehr intensiviert werden.
  1. Als Beispiel sei hier das Technische Hilfeleistungsabzeichen genannt: Während viele der Meinung sind das Hydraulikaggregat bräuchte man niemals aus dem Fahrzeug nehmen, wurden die Schwazer Feuerwehrmänner bei diesem Einsatz eines besseren belehrt. Es war von großem Vorteil, das komplette Aggregat direkt vor Ort zu haben. Aber auch den Aufbau der Stromversorgung, ohne den das Hydraulikaggregat nicht funktionieren würde, das rasche Auffinden von verschiedensten Geräten, all das sind nicht zuletzt Erfolge der Technischen Hilfeleistungsprüfung.
  1. Die Zusammenarbeit der einzelnen Rettungsorganisationen funktionierte hervorragend. Trotz des Großaufgebotes an Einsatzkräften war die Einsatzstelle übersichtlich, die Absprache zwischen den verschiedenen Einsatzleitern war Vorbildhaft. Besonders bewährt hat sich die Kennzeichnung der Führungskräfte, dadurch wurde die Orientierung wesentlich vereinfacht.
  1. Ein besonderes Lob an dieser Stelle an die Exekutive. Sie hat in kürzester Zeit die Autobahn in beide Richtungen voll gesperrt, die Umleitungsstrecken ausgewiesen und hat an der Einsatzstelle so manchen Schaulustigen von den Einsatzkräften ferngehalten. Nicht weniger als 32 Beamte der Verkehrsabteilung sowie der umliegenden Gendarmerieposten sorgten für einen Reibungslosen Verkehr der Einsatzfahrzeuge.

Einsatztag: Dienstag, 1. Mai 2001
Einsatzort: A 12 Richtung Kufstein Höhe Vomp

18:10 Uhr: Alarmierung FF Schwaz durch Florian Gendarmerie Schwaz: 
"Schwerer  Verkehrsunfall A 12 Fahrtrichtung Kufstein Höhe Vomp, mehrere eingeklemmte Personen!"

Nach Erkundung durch AK Schwaz Auslösung Großalarm "Technischer Einsatz".

Nachalarmierungen:

18:18 Sammelruf und Sirene Schwaz, 62 Mann, 9 Fzg, 194 h
18.19 FF - Jenbach,   24 Mann, 5 Fzg, 100 h 
18.20 FF - Wattens, 10 Mann, 3 Fzg, 45 h
18.30 Betriebsfeuerwehr Tyrolit,  10 Mann, 2 Fzg, 30 h
18.30 FF Vomp,  8 Mann, 25 h
18.32 FF - Hall,  Mann, 2 Fzg, 46 h
18.45 BF - Innsbruck,  5 Mann, 3 Fzg, 15 h
BFK - Schwaz   3 Mann, 3 Fzg, 12 h

1 ELW, 4 KDOF, 5  TLF, 1 RLF, 3 SRF,1 KF 45, 1 KF 16, 2 MTF, 1 WLF, 4 LF,1 GGF, 4 LAST

4 Hydr. Rettungssätze, 3 Satz Hebekissen, 2 Einsatzzelte, 5 Planen, 4 Schaufeltragen, 4 Stromerzeuger, 1 Stromerzeuger fahrbar, Ölbindemittel, 10 Tischgarnituren, 3 Funkgeräte stationär, 27 Funkgeräte mobil, 15 Funkgeräte tragbar, Verkehrsleiteinrichtung mobil, Besen, Schaufeln, Entsorgungssäcke.

Bergungen/Rettungen: 6 Tote,  15 Schwerverletzte , 38 Verletzte